Wie gesund und nachhaltig wir essen, entscheidet sich nicht in der Küche. Tatsächlich passiert das bereits beim Einkauf. Hier wird festgelegt, was von der mitgenommenen Pracht schließlich auf unseren Tellern landet und ob es für unsere Gesundheit einen qualitativen Nutzen hat. Doch nicht nur das. Ein Großteil der „Beute“ findet in unserer übersatten Zivilisation nicht den Weg auf unsere Teller, sondern landet am Ende ungenutzt im Haushaltsmüll. Und das ist nicht wenig. Im Schnitt wirft jeder Haushalt jährlich bis zu 400 Euro in die Tonne. Das sind nicht nur die Küchenabfälle, wie sie bei der Verarbeitung von Obst und Gemüse anfallen. Es sind all die Produkte, von denen wir zu viel kaufen, weil vielleicht morgen eine Hungersnot ausbrechen könnte oder wir Sorge haben, plötzlich Appetit auf etwas Bestimmtes zu verspüren. Wir wollen für alles gewappnet sein. Der Sekt im Kühlschrank wartet auf ein geselliges Zusammensein mit Freunden, die Schokolade wird als Notbehelf gegen möglichen Frust oder Einsamkeit mitgenommen. Auch die „Sünde“ darf nicht zu kurz kommen, dafür braucht´s Salami und allerlei Leckereien. Gute Mütter legen natürlich Milchschnitten in den Einkaufskorb. Denken wir auch an den haushälterischen Supergau: Es könnten unerwartete Gäste kommen und denen wollen wir ja auch etwas anbieten.
Dieser Kaufzwang für alle Eventualitäten ist ein Relikt aus der Zeit, in der die Krämer noch Mittagspause hielten und ihre Rollläden Punkt 18:30 Uhr, an den Sonnabenden sogar um 14 Uhr herunter ließen. Wir können heute fast rund um die Uhr einkaufen. Für viele, die mit ihrer Linie kämpfen, wäre es eigentlich gar nicht schlecht, nicht jedes Appetitchen sofort und umgehend stillen zu können. Und im Notfall gibt es ja immer noch die Tankstelle um die Ecke oder den Pizzadienst.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir auf den Wochenmärkten ein anderes Einkaufsverhalten an den Tag legen als im Supermarkt? Da geht es ursprünglicher zu, die Angebotspalette ist begrenzt. Während der domestizierte Käufer in der Supermarkthalle aus dem übersatten Angebot eines von vielen wählt, erwacht auf dem Markt unser uralter Jagdinstinkt. Die Kartoffeln gehen bei einem Anbieter zur Neige und nebenan liegt noch ein großer Erdapfelberg? Da vertrauen wir doch lieber auf den guten Geschmack all derer, die den ersten bereits fast leer gekauft haben. Und wir wollen auch noch etwas davon haben. Vielleicht wäre das eine gute Übung für all jene, die im Laden pralle Regale kurz vor Geschäftsschluss erwarten. Wenn am Ende noch so viel von allem da ist, dann kann das unmöglich etwas Besonderes sein…
Dass wir mit leerem Magen und ohne die gedankliche Stütze einer Einkaufsliste viel mehr einkaufen als wir brauchen, ist sicher schon vielen aufgefallen. Was jedoch oft unterschätzt wird, ist die Macht des leeren Magens. Insbesondere an den Wochenenden versuchen viele noch vor Morgentau ohne Frühstück auf Produktjagd zu gehen. Schließlich können wir das in Ruhe mit gefüllten Einkaufstüten in der Cafeteria nebenan nachholen. Böse Falle! Besser wäre es, zu Hause zu essen oder vor dem Einkauf in die Cafeteria zu gehen. Machen Sie den Selbsttest: Einkaufs- und Cafeteria-Bons aufheben und vergleichen. Sie werden überrascht sein.
Allein schon die Weitläufigkeit der Verkaufsflächen in den großen Discountern verführt zum Grasen. So ist das auch von der Verkaufsförderung gedacht. Die Platzierung der einzelnen Angebotsflächen und auch die Stellung der Verkaufsregale in quer oder längs verführen zu einem kompletten Zug durch das Geschäft. Wer in Eile ist oder wen das ärgert, der könnte seine Einkaufsliste revolutionieren. Wenn wir beim Zettelschreiben das eigene Lieblingsgeschäft nach Abteilungen auflisten und die Kaufwünsche direkt darunter schreiben, können wir sehr viel gezielter einkaufen. Wir müssen nicht dauernd zurück, weil wir etwas vergessen haben. Überdies sparen wir eine Menge Zeit und Geld, weil wir auf der Suche nach Backpulver nicht unversehens dem schier unwiderstehlichen Aktionsangeboten in der Elektroabteilung gegenüber stehen. Kreative Zeitgenossen malen sich den Lageplan ihres Geschäftes auf, kopieren ihn mehrmals und tragen ihre Einkaufliste in die jeweiligen Kästchen ein. Dieser Plan hängt in der Küche und nimmt beim Bemerken von Vorratslücken gleich alles auf, was beim nächsten Einkauf mit zu bringen ist.
Vielleicht ist dieser Vorschlag etwas für alle, die ihr Hirn beweglich halten wollen. Der durchschnittliche Käufer wendet sich nach dem Eingang zuerst nach rechts oder, wenn das nicht geht, geradeaus nach hinten. Gehen Sie einmal anders herum. Damit setzen Sie nicht nur die verkaufsfördernden Ziehkräfte außer Kraft, sondern werden feststellen, dass Sie viel gezielter und vor allem selbstbestimmter einkaufen.
Für die meisten ist wohl ein bestimmter Tag in der Woche der obligatorische Einkaufstag. Gut wäre, mindestens den Tag davor zum Reste-Essen-Tag zu erklären. Damit bekommen wir nicht nur einen guten Überblick über das, was alles fehlt. Auf diese Weise können wir ebenso sicherstellen, dass die Beute der letzten Woche auch wirklich aufgegessen wird und nicht verderben kann. So ein Reste-Tag ist in der Regel sehr viel kulinarischer, als es sich zunächst anhören mag. Versprochen!
Veröffentlicht in Umweltzeitung März/April 2018