Ostern mitten im Dezember

cover-mit-1200-gescannt-001-e1473792964561

Ostern mitten im Dezember – Pfarrhaus-Geschichten

Taschenbuch: 92 Seiten
Verlag:
Books on Demand; Auflage: 1 (29. August 2016)
Sprache:
Deutsch
Preis:
9,20 €

 

Die Kurzgeschichten vermitteln überraschende Einblicke in den Kosmos eines evangelischen Pfarrhauses. Die Autorin erzählt von einer Dekade ihres Lebens, in der sie als Ehefrau eines Pfarrers den Alltag und die Gepflogenheiten christlicher Gemeinden kennen lernen durfte. Von Haus aus ohne kirchlichen Hintergrund und immer bereit, allen Dogmen die Stirn zu bieten, geht die junge Pfarrfrau fröhlich, pragmatisch und unbekümmert ans Werk. Sie sorgt dafür, dass das Leben im Pfarrhaus rund läuft und entwickelt frische Ideen für das Gemeindeleben. Bis heute – viele Jahre später – ist sie sich nicht sicher, ob ihre Kreativität den Zuspruch aller Gemeindemitglieder gefunden hat. Etwa, als sie einem Wanderzirkus erlaubt, im Gemeindesaal ein Kamel auftreten zu lassen. Davon handeln die Geschichten, aber auch von häuslichen Missgeschicken. Zum Beispiel, wenn die Beffchen für die Sonntagspredigt plötzlich rosarot aus der Waschmaschine kommen. Oder wenn die eigenen Kinder während des Gottesdienstes mit dem Klingelbeutel samt Inhalt stiften gehen. Lassen Sie sich überraschen von humorvollen, spritzigen und auch berührenden Geschichten aus dem Innenleben eines Pfarrhauses.

Das Pfarrerehepaar 1979 in Frankfurt/M.
Das Pfarrerehepaar 1979 in Frankfurt/M.

BoD-Buchshop
Aktuelle Blog-Beiträge zu diesem Buch

Leseprobe: Die roten Schuhe

Bevor ich in späteren Jahren damit begann, an der Bürde des Alters zu tragen, war ich oft auf Highheels unterwegs. Besonders ein feuerrotes Paar gehörte zu meinen Lieblingstretern. Mein Mann mochte es sehr, wenn ich damit vor ihm herum stöckelte. Besonders amüsierte es ihn, wenn ich sie sogar zu Gelegenheiten trug, die schrittfesteres Schuhwerk erforderten. Er zog mich gerne damit auf, dass ich bei der Wahl meiner Schuhe keinen Unterschied hinsichtlich des Anlasses mache. Ich trüge die Pumps sowohl im Theater als auch im Stall. Das war natürlich weit übertrieben. Es gab in der Nähe unseres Pfarrhauses keinen Stall.

Bei der Gemeinde erntete ich mit den roten Stöckelschuhen harsche Kritik. Einige kirchentreue Damen zogen mich diskret beiseite und eröffneten mir im Vertrauen, dass es für Pfarrfrauen eine ungeschriebene Kleiderordnung gäbe. Niemals dürfe die Frau des Pfarrers – weder im Alltag noch zu festlichen Anlässen – farbenfroher daherkommen als eine eventuell gleichzeitig anwesende Witwe.

Das war ein schwerer Schlag für mich. Um dem Ansehen meines Mannes nicht zu schaden, blieben die roten Schuhe im Schrank. Für die Dauer meiner Pfarrfrauenzeit beschränkte ich mich auf gedecktere Farben. Aber Highheels mussten es sein. Da blieb ich eisern.

Nach dem Tod meines Mannes standen die Schuhe noch für eine weitere Zeit im Schrank. Eine Pfarrwitwe – so begriff ich – hatte über den Bekleidungskodex hinaus noch sehr viel mehr ungeschriebene Gesetze zu beachten. So entschied ich mich nach wenigen Jahren einengender Pfarrwitwenschaft gegen die Regeln und für die roten Highheels. Ich zog mit meiner Familie in eine andere Stadt.

Erst viele Jahre später erfahre ich, dass sogar der Papst rote Schuhe trägt. Und dem kann man wahrhaftig nicht unterstellen, eine eventuell anwesende Witwe überstrahlen zu wollen. Hätte ich das bloß früher gewusst.