Bücher ·Leseprobe ·Reste-Essen reloaded

Aus den Augen – aus dem Sinn?

 

Vieles, was wir wegwerfen, wird vor Ort diskret in Müllbeseitigungsanlagen entsorgt, zu Heizgas gemacht oder schließlich mit Erde überdeckt zu neuen hügeligen Freizeitlandschaften gestylt. Wir sehen die Müllberge nicht. Auf den ersten Blick scheinen diese Lösungen genial zu sein. Sie wären es vielleicht auch, wenn die globale Welt heute nicht direkt vor unseren Haustüren begänne. Es reicht nicht mehr, nur vor der eigenen Tür zu kehren.

Durch unseren Hunger auf nur wenige Fleischteile vom ganzen Tier werden billige Schlachtabfälle, die wir nicht essen wollen, in Entwicklungsländer verschifft, die die dortigen Viehzüchter um ihren verdienten Lohn bringen. So verzehrt unsere schöne neue Welt von einem Huhn nur die Keulen und die Brust. Es ist noch gar nicht so lange her, dass auch in unseren Haushalten das ganze Huhn zu köstlichen Hühnerbrühen und -fonds verwertet wurde. Statt dessen geben wir uns mit industriell eingetüteten Suppen zufrieden. Hans-Ulrich Grimm beschreibt in seinem Buch „Die Suppe lügt“ diese fixen Tüten als das Endresultat von Produktionsmethoden, die notwendig sind, um ein Suppenhuhn gerecht auf 5.000 Tüten zu verteilen. Das ergibt umgerechnet etwa 20.000 Suppenteller.

Futtermittel für die Fleischproduktion werden nicht bei uns, sondern überwiegend in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert. Regenwälder werden abgeholzt für unseren immensen Bedarf an Futtermitteln wie Soja, aber auch für Biotreibstoffe wie Raps und Mais. Das treibt die Weltmarktpreise für Getreide- und Ölpflanzen in die Höhe.

Am Ende trifft es uns direkt, wenn wir mit unserem Appetit auf überflüssige Nahrung die Kleinbauern am anderen Ende der Welt um Brot, Arbeit und Land bringen. Es sind nicht nur militärische Auseinandersetzungen, die Menschen aus den betroffenen Ländern zwingen, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Wir sind ein Teil dieser Ursache, wenn wir den Hals nicht voll kriegen können und Nahrung aus verelenden Gebieten abziehen oder das, was wir nicht brauchen, dorthin verlagern.

Es geht hier nicht darum, mit dem Zeigefinger auf alle zu zeigen, die diese Verschwendung unterstützen. Vielmehr soll diese Thematik uns erst wieder ins Bewusstsein gerufen werden. Es geht um unsere Mündigkeit, unsere Selbstbestimmtheit und unsere Verbrauchermacht. Wir wollen nicht für das bezahlen müssen oder andere das bezahlen lassen, was auf den einzelnen Stufen der Versorgung im Müll landet. Wir wollen nicht, dass die Kleinbauern in den weniger begünstigten Erdteilen für uns das über produzieren, was ihnen selbst zum Leben fehlt. Wir wollen, dass unser Geld, das wir für Lebensmittel ausgeben, beim Bauern ankommt und nicht nur den globalen Konzernen und und Lebensmittelketten zu mehr Profit verhilft. Dabei haben wir – frei nach Oscar Wilde – einen einfachen Geschmack. Wir sind mit dem Besten zufrieden. Und das Beste ist niemals das, was im Überfluss bereit steht.